Neuroelektrischen Stimulation

Neuroelektrische Therapie (NET)

In den Jahren seit 1973 habe ich eine Technik entwickelt, die mit beachtlichem Erfolg zur Behandlung der verschiedensten Suchtformen eingesetzt wurde. Diese Technik wird neuroelektrische Therapie (abgekürzt NET) genannt.
Die NET allein ist noch keine Suchttherapie, aber sie ist eine wirksame Entgiftungsmethode bei allen Formen von Abhängigkeit – und zwar die erste Methode, die die Entgiftung leistet. Jahrhundertelang blieb Alkoholikern und Drogenabhängigen, die sich aus ihrer Sucht befreien wollten, nichts anderes übrig als sich »austrocknen« zu lassen bzw. die Phase des »Cold Turkey« durchzustehen oder auf eine Ersatzdroge umzusteigen, die ihnen statt der erhofften Heilung meist nur erneute Abhängigkeit bescherte. Nun besteht zum ersten Mal für alle Süchtigen, die von einer bestimmten chemischen Substanz abhängig sind, die Möglichkeit, in nur zehn Tagen und ohne nennenswerte körperliche Beschwerden entgiftet zu werden. Die NET dient jedoch nicht nur der Bewältigung des akuten Entzugssyndroms, sie ist darüber hinaus auch die erste wirksame Behandlungsmethode für das oft monatelang anhaltende chronische Entzugssyndrom.

Ein elektronischer Apparat von Taschengröße ist es, der diese Entgiftung zuwege bringt. Mit seinen unzähligen möglichen Kombinationen von Frequenz und Wellenform stellt dieser Apparat den Beginn einer von Grund auf veränderten medizinischen Wissenschaft dar, deren vorherrschende Behandlungstechnik nicht länger darin besteht, den Körper unter Drogen zu setzen, sondern eben darin, ihn zur Produktion seiner eigenen natürlichen Substanzen zu stimulieren.
Dieser kleine tragbare Stimulator ähnelt stark einem Walkman, wie er oft von Joggern getragen wird. Zwei Leitungen führen vom Stimulator zu selbstklebenden Elektroden, die hinter den Ohren angebracht werden. Aufdiesem Wege fließt ein elektrischer Strom, der ein leichtes, nicht unangenehmes Kribbeln verursacht. Während der zehntägigen Behandlung bleibt der Stimulator fast durchgängig in Betrieb.
Wirkungsprinzip der NET: Wodurch wirkt die NET nun eigentlich? Manche Leser werden schon von den Endorphinen, den körpereigenen Schmerzkillern, gehört haben. Die Jogger unter Ihnen kennen sicher aus eigener Erfahrung die gehobene Stimmung, in die man sich durch das Laufen versetzt fühlt. Sie wird durch die während eines Dauerlaufs gewaltig ansteigende Endorphinproduktion verursacht. Außerdem reagiert der Körper natürlich auch auf Schmerzzustände mit erhöhter Endorphinausschüttung. Wird dem Körper jedoch ständig von außen eine Droge, z.B. Heroin, zugeführt, so können die Endorphine ihre Wirkung nicht mehr entfalten, denn die normalerweise für sie reservierten Plätze, die sogenannten Endorphinrezeptoren im Gehirn, sind nun schon von Heroin belegt. Im Zuge dieses Anpassungsprozesses wird schließlich die Endorphinproduktion ganz eingestellt und kann erst wieder in Gang kommen, wenn die Endorphinrezeptoren frei von Fremdstoffen sind. Mittlerweile wissen wir, dass das Gehirn durch geeignete elektrische Stimulation zur Wiederaufnahme seiner Endorphinproduktion angeregt werden kann. Dieser Normalisierungsprozeß dauert nach meiner zwölfjährigen Erfahrung mit dieser Technik bei den meisten Patienten zehn Tage. Aus diesem Grunde gehe ich von einer durchschnittlich zehntägigen NET-Dauer aus, obwohl es vereinzelt Fälle gibt, die eine längere Behandlung benötigen bzw. mit einer kürzeren auskommen.

 

Während der NET-Behandlung verabreichen wir grundsätzlich keine Medikamente, es sei denn, es ergäbe sich dazu eine zwingende medizinische Notwendigkeit. Unter dieses Verbot fallen auch Schlafmittel und Tranquilizer, auf deren Einnahme ja immer eine Periode verstärkter Schlaflosigkeit und Angst folgt, wodurch das Leiden nur verlängert wird. Außerdem haben die Süchtigen eine solch hohe Toleranz* gegenüber Drogen entwickelt, dass sie zum Durchschlafen eine Schlafmitteldosis benötigen würden, die dann schon gefährlich nahe bei einer Überdosis läge. Am schlimmsten sind für die Patienten die ersten Nächte, in denen die meisten von ihnen nur sehr schlecht schlafen können. Einige konnten zwar von Anfang an gut schlafen, die meisten Abhängigen entwickeln jedoch erst zwischen der dritten und neunten Nacht ein normales Schlafmuster*. Ohne NET dauert dieser Normalisierungsprozess etwa zwei Monate nach Alkohol- und Heroinentzug und bis zu vier Monate nach dem Entzug von Barbituraten.

Die Behandlungstechnik: Klebeelektroden werden hinter den Ohren befestigt und über kleine Kabel mit dem Simulator verbunden, den die Patienten am Gürtel befestigen oder
in die Tasche stecken können. Diesen Apparat tragen die Patienten in der Regel Tag und Nacht mit sich herum, selbst beim Tennisspielen; abgenommen wird er nur zum Schwimmen und Duschen. Vom siebten Tag an beginnen wir, je nachdem wie der Patient auf die Behandlung anspricht, mit der Entwöhnung vom Stimulator. In der Mehrzahl fühlen sich die Patienten schon irgendwann vor Ablauf der 10 Tage wieder gesund und tatkräftig. Bei einigen dauert es nach der NET-Behandlung noch ein bis drei Wochen, bis sie das Gefühl haben, körperlich ganz auf der Höhe zu sein.

Vom ersten Tag an können die Patienten überall herumspazieren; ihre Teilnahme an allen Aktivitäten, einschließlich hauswirtschaftlicher Verrichtungen, ist erwünscht und wird von uns als Teil der Therapie betrachtet. Am hilfreichsten ist für die Patienten eine Tätigkeit im Freien wie etwa Gartenpflege. Auch nachts sind immer Schwestern erreichbar, als Ansprechpartner für jene, die mit ihrer Schlaflosigkeit nicht zurechtkommen. So um den vierten, fünften Tag herum geraten die Patienten darob, dass sie es geschafft haben, ohne Drogen auszukommen, und sich dabei trotzdem wohlfühlen, oft geradezu in Euphorie. Auf diese Phase folgt jedoch die Erkenntnis, dass das Leben ohne Drogen leer ist, ganz ähnlich wie bei dem Verlust eines Partners. An diesem Punkt bietet ein verständnisvoller Berater seine Hilfe an, meist in Form von Einzelgesprächen, aber auch in Gruppen. Daran schließt eine dreißigtägige Rehabilitationsphase an, die auf die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen Patienten abgestimmt wird. Indiesem Stadium bitten wir die Angehörigen, sich sowohl in ihrem eigenen Interesse als auch um des Patienten willen an den Beratungsgesprächen zu beteiligen.
Nur ganz wenige meiner Patienten, und zwar gerade die hochgradig süchtigen, behaupteten, überhaupt keine Entzugserscheinungen gehabt zu haben. Die meisten geben an, die NET habe die Entzugssymptome in Schach gehalten, so dass ihr Wohlbefinden nur in dem Maße beeinträchtigt war wie etwa auch bei einer beginnenden Erkältung. Die körperlichen Beschwerden bleiben also in einem erträglichen Rahmen und können durch gezielte Maßnahmen wie körperliche Betätigung, heiße Bäder oder Massage noch weiter vermindert werden.

Aufgrund unserer klinischen Erfahrungen können wir sagen, dass die NET nicht nur die akuten Entzugssymptome stark abschwächt, sondern auch das chronische Entzugssyndrom, das üblicherweise Monate oder gar Jahre andauert, innerhalb von ein bis drei Wochen völlig abklingen lässt.